Funken am Mittelwellemast

Quelle: Mainzer Allgemeine Zeitung 2013

Mainzer Funkamateure nutzen Wolfsheimer Sender vor dessen Sprengung für Teilnahme an Wettbewerb

29.01.2013 – WOLFSHEIM

Von Jochen Werner

Eine solche Chance kommt einmal im Leben. Am 8. Januar 2012 schaltete der SWR seinen Mittelwellensender Wolfsheim endgültig ab, im Februar dieses Jahres soll der 150 Meter hohe Mast gesprengt werden. Am vergangenen Wochenende bekamen die Funkamateure des Ortsverbandes Mainz im DARC (Deutscher Amateur-Radio-Club) die Gelegenheit, ihn zum letzten Mal mit Funkenergie zu speisen, um an einem weltweiten Wettbewerb teilnehmen zu können. Die Auswertung dauert allerdings Monate.

Sieben Personen sind beteiligt, haben ab Freitagnachmittag erst einmal neun Stunden Antennen gebastelt, einen Schichtbetrieb eingerichtet und dann mit dem Funken begonnen. In 48 Stunden wollten sie mit über 2000 Menschen überall auf der Welt Kontakt haben, ob in Amerika, in Japan, China oder der Mongolei, vielleicht sogar in Neuseeland. Denn wenn nicht jetzt, dann wahrscheinlich nie. „Es ist eine einmalige Sache, die gigantischste Antenne überhaupt nutzen zu können“, ist Rudolf Klos dankbar. Denn normal reichen Funkantennen maximal 20 Meter gen Himmel. Dazu kam noch die Unterstützung des SWR beim Anbringen von Befestigungen.

Über 160 Meter lange Richtantennen wurden aufgebaut und verteilt, bevor die Morsetelegrafie beginnen konnte – alles fast wie vor 100 Jahren. Die Kunst, sagt Wolfgang Hallmann, bestünde darin, unter den vielen Signalen das Besondere herauszufinden, etwa den Japaner unter allen Deutschen oder Tschechen. Jede Funkstelle hat von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) eine Länderkennung, durch die die Identifikation möglich ist. Der Funker wiederum benötigt einen „Führerschein“, muss eine Prüfung ablegen als Nachweis, selbst Sender und Antennen bauen zu können.

Für Klos war es die Faszination, mit Amerika zu sprechen, eine Brücke zur Welt zu haben, Kontakt zu Menschen im Pazifikraum zu bekommen. „Das war in meiner Kindheit unvorstellbar.“ Unvorstellbar ist auch, mit wem er schon in Funkverbindung treten konnte: König Juan Carlos etwa. Der ist ebenso Funkamateur wie es König Hussein von Jordanien war. Was alle eint, ist, dass über das gemeinsame Hobby Freundschaften entstehen, die ein Leben lang halten. Wie die zwischen Klos und Father Moran, einem Lehrer in Nepal. Der Funk als Türöffner: Wie sonst bekommt man einen Blick hinter die Mauern des Vatikans?

„Man lernt Leute kennen, wie es über das Internet niemals möglich wäre“, weiß Hallmann um das Persönliche beim Funken, um eine andere Qualität als etwa in sozialen Netzwerken. Und eines kommt noch hinzu: „Es war schon immer die Faszination, mit der Technik zu spielen. Lange bevor es Internet gab“, sagt Stephan Forth, der genauso wie Hallmann und Klos bekennt, dass das Mittelwellen-Band eine Riesenherausforderung sei, weil die Ausbreitungsbedingungen stark vom Sonnenstand abhängen.

Alle Funker betonen die Bedeutung, die sich vor allem dann zeigt, wenn sonst nichts mehr funktioniert. Wenn Katastrophenhilfe gefragt ist, bei Erdbeben, Tsunamis oder Lawinen. Wenn es darum geht, Informationen aus Kriegsgebieten zu bekommen. Kontakte sind fast überall möglich. Sogar zur ISS, denn alle Astronauten haben die entsprechende Funkausbildung.

Geschafft haben die sieben Funker schließlich am Wochenende 500 Kontakte weltweit – von der Karibik bis nach Russland.